Tutorial zum Thema Makrofotografie
by Marc
Vorbemerkungen
- Dieses Tutorial beschreibt meine Erfahrungen mit Makrofotografie von lebenden Insekten.
- Ich habe vor, es zu aktualisieren, wenn ich neue relevante Erkenntnisse gewinne. Die letzte Aktualisierung ist von Juni 2020.
- Ich versuche es vollständig aber kurz zu halten.
- Benötigte Kenntnisse sind die Fotografie-Basics. ISO, Blende, Belichtungszeit, Schärfentiefe,… sollte man verstanden haben. Wenn Grundwissen fehlt, hilft dieses Video:
- Crashkurs Fotografie - Fotografieren lernen mit Krolop&Gerst https://www.youtube.com/watch?v=7QWHKFcjP_0
- Es gibt eine alternative Methode, die ich hier nicht beschreibe: Makrofotografie mit einem Stativ. Dafür muss das Motiv längere Zeit unbeweglich sein, was ich zu einschränkend finde. Andere Fotografen sagen, dass diese Methode auch mit lebenden Insekten gut funktioniert, wenn man morgens sehr früh aufsteht, da die Insekten dann weniger aktiv sind (noch ein Grund dagegen).
- Ich schreibe hier nichts über Fokus Stacking. Dabei handelt es sich um eine fortgeschrittene Technik. Man kann auch ohne Stacking tolle Bilder machen. Alle Beispielbilder auf dieser Seite sind nicht gestackt.
Welche anderen Quellen kann man sich anschauen?
Ich habe meine Methode im Wesentlichen vom Youtuber Micael Widell (englisch) abgeschaut:
- Sein Kanal: https://www.youtube.com/channel/UCJ9XPzyAZ4JP1HqxAN71dMQ
- Tutorial: https://www.youtube.com/watch?v=RRJ9iopSUO4
- Anfängertipps: https://www.youtube.com/watch?v=QUXzv1l9daE
Auf Youtube gibt es auch viele deutschsprachige Videos zu Makrofotografie. Allgemein ist Youtube eine gute Quelle, wenn man irgendetwas über Fotografie wissen will.
Auf Facebook gibt es eine Gruppe zu Makrofotografie.
Was wird benötigt?
- Eine Systemkamera - Spiegelreflex oder Spiegellos
- Empfohlene Methode für Einsteiger: Makro-Zwischenringe + vorhandene (Kit-)Objektive.
- Ein Aufsteckblitz
- Ein kleiner Diffusor
Mehr zum Equipment gibt es weiter unten.
Wie man fotografiert
- Belichtung:
- Belichtungsmodus manuell (M)
- Blende zwischen 8 und 16, bei mir meist 11. Bei Offenblende ist die Schärfentiefe zu gering, über Blende 16 schlägt die Beugungsunschärfe zu.
- ISO niedrig, mit der Basis-ISO der Kamera starten (z.B. ISO 100).
- Belichtungszeit auf die Blitzsynchronzeit der Kamera einstellen (bei der Sony A6000 ist das 1/160).
- Den Blitz zunächst auf 1/16 Stärke stellen und dann ein Testbild machen. Wenn das Bild zu dunkel ist, die Stärke erhöhen. Wenn es gar nicht reichen sollte, vorsichtig ISO oder Blende (aber nicht die Belichtungszeit) nachregulieren.
- Normalerweise bleiben die Belichtungseinstellungen die meiste Zeit gleich.
- Das Sonnenlicht hat wenig Einfluss auf die Belichtung. Die Einstellungen sind so dunkel gewählt, dass das natürliche Licht ohne Blitz ein extrem unterbelichtetes Bild produzieren würde.
- Das Licht vom Blitz ist immer ungefähr gleich hell, da der Abstand Blitz zu Motiv ja immer gleich ist.
- Eher ein Einflussfaktor ist die Umgebung. Für Motive auf hellen Blumen muss man ggfs. den Blitz um einen Blendenschritt runter regeln (z.B. von 1/16 auf 1/32).
- Fokus:
- Der schwierigere Teil. Trotz Blende 11 ist die Schärfentiefe sehr gering, so ca. 3 mm.
- Fokusmodus manuell (MF)
- Das Objektiv auf die kleinstmögliche Distanz einstellen.
- Nah an das Motiv herangehen. Die Kamera vor und zurück bewegen und somit dem Abstand zum Motiv variieren, bis es scharf ist. Das ist die Stelle, an der Fokus Peaking (siehe unten) hilft.
- Viele Fotos machen und nicht enttäuscht sein, wenn 80-90% unscharf und daher für die Tonne sind.
- Praxistipps:
- Man sollte sich kooperative Motive suchen. Wenn sich das Motiv zu viel bewegt (z.B. Bienen beim Honig sammeln), dann wird das Fotografieren recht schwierig. Es gibt durchaus genug Insekten, die still halten.
- Es wird viel darüber geredet, dass man für Makrofotografie eher lange Brennweiten verwenden sollte, damit man mehr Abstand zum Motiv halten kann. Hier wird oft das Wort “Fluchtdistanz” verwendet – wie nah lässt einen das Tier herankommen, bevor es die Flucht ergreift? Meiner Erfahrung nach ist dieser Faktor nicht so ausschlaggebend, wie man zunächst denkt. Bei einigen Insekten ist die Fluchtdistanz größer als 30cm und man hat ohnehin keine Chance. Andererseits gibt es doch erstaunlich viele Käfer, die einen auch dann noch ignorieren, wenn man ihnen ein Objektiv direkt vor die Nase hält (z.B. auf 3 cm Abstand).
- Die hohe Kunst:
- Trotz geringer Schärfentiefe immer versuchen, die Augen des Tiers scharf zu bekommen.
- Verschiedene Perspektiven ausprobieren, bei denen man die geringe Schärfentiefe nicht so bemerkt. Wenn ein Tier z.B. ziemlich flach ist, kann man es direkt (nicht schräg!) von oben fotografieren und bekommt es so vielleicht komplett scharf.
- “Auf Augenhöhe” fotografieren. Der Zuschauer fühlt sich dadurch stärker einbezogen, als wenn er die Szene “von oben herab” sieht. Diesen Effekt gibt es allgemein beim Fotografieren von kleinen Lebewesen, von Vögeln über Hunde bis zu Kindern.
- Auf Bildkomposition und Hintergrund achten!
- Die Belichtungszeit hat Einfluss auf die Helligkeit des Hintergrundes, der Blitz beleuchtet vor allem den Vordergrund. Mit sehr kurzen Belichtungszeiten kann man Bilder erzeugen, die wie Studiofotos aussehen, weil der Hintergrund fast schwarz wird. Dafür braucht man aber ggfs. High-Speed Sync, weil man kürzer als die Blitzsynchronzeit belichtet.
- Auf der anderen Seite kann man auch lange Belichtungszeiten ausprobieren, der Blitz wird das “Haupt-Bild” des Motivs trotzdem einfrieren und man bekommt einen farbigeren Hintergrund.
Equipment
Kamera
So ziemlich jede digitale Kamera mit Wechselobjektiven sollte geeignet sein. Es wird weder ein toller Autofokus noch ein riesiger Dynamikumfang benötigt, insofern braucht man nicht zwingend das neuste Modell besitzen. Ich persönlich verwende eine Sony A6000.
Die Pixeldichte des Kamerasensors ist für Makrofotografie besonders wichtig. Bei annähernd gleicher Megapixelzahl haben APS-C oder MFT-Kameras einen Vorteil gegenüber Vollformat (A6000: 24 Mpixel, A7 III: 24 MPixel).
Bei einigen MFT-Kameras gibt es außerdem Spezialfunktionen für Makrofotografie. Hierzu kann ich aber nichts Näheres beitragen, da ich keine solche Kamera besitze.
An der A6000 gibt es allerdings auch ein Feature, das besonders nützlich ist: “Fokus Peaking”. Hierbei zeigt die Kamera an den Stellen, wo sie besonders viel Kontrast sieht, rote Punkte an. Man sieht also die scharfen Stellen rot markiert, was beim Fokussieren enorm hilft.
In diesem Zusammenhang hier noch einen Trick für Leute, die RAW fotografieren: Die Kamera auf “Creative Style: Schwarz/Weiß” einstellen. Das Bild im Display/Sucher und das JPEG sind dann Schwarz-Weiß, das RAW natürlich nicht. Auf dem Schwarz/Weiß-Bild im Display/Sucher sieht man die roten Punkte vom Fokus Peaking sehr viel deutlicher.
Makro-Zwischenringe
DIE Empfehlung für Anfänger. Zwischenringe sind keine Verlegenheitslösung, man kann damit für wenig Geld supergute Makrofotos machen.
Es handelt sich um Ringe, die zwischen Objektiv und Kamera gesetzt werden, so dass das Objektiv weiter vom Sensor entfernt ist. Man verliert damit die Fähigkeit, bis unendlich zu fokussieren - wenn die Zwischenringe drauf sind kann man also nur noch im Nahbereich fotografieren.
Meine Experimente mit Meike Zwischenringen (10 + 16mm, kosten im Set ca. 30€) an der A6000 ergaben:
- Das Kit 16-50mm kommt so ungefähr auf Abbildungsmaßstab 1:1,2.
- Das Sony 35mm/1.8 erreicht fast Abbildungsmaßstab 1:1. Dafür muss man aber auf ca. 4cm an das Motiv ran.
- Ich habe ein paar andere Objektive probiert, mit denen es nicht so gut funktionierte. So etwas wie 1:1,5 sollte aber recht leicht zu erreichen sein.
- Bei Teleobjektiven ist die Wirkung der Ringe geringer.
Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass man das Objektiv dabei “jenseits seiner Spezifikation” betreibt, was zu Abbildungsfehlern führen kann. In der Praxis sind meine Erfahrungen mit dem 35mm 1.8 Objektiv allerdings gut.
Man kann Makro-Zwischenringe auch mit den anderen hier beschriebenen Methoden kombinieren, um die Vergrößerung weiter zu steigern.
Alternativ: Makro-Objektiv
Ein Makro-Objektiv ist ein Objektiv, das sehr nahe Objekte fotografieren kann, das aber auch bis unendlich fokussieren kann.
Makroobjektive können ziemlich teuer sein. Es macht Sinn, Makrofotografie mit billigem Equipment zu lernen und DANACH informiert zu entscheiden, was man kaufen möchte. Mit etwas Praxis kann sich insbesondere die persönlich Meinung über folgende Punkte ändern:
- Welche Brennweite will ich?
- Brauche ich Autofokus?
- Welcher Abbildungsmaßstab ist gewünscht?
Insbesondere für spiegellose Systemkameras kann Altglas eine gute Option sein. Hier muss man aber aufpassen, viele alte Makro-Objektive haben nur einen Abbildungsmaßstab von 1:2. Ich bin aktuell sehr zufrieden mit einem Vivitar 55mm 2.8 1:1 Makro, das mich auf eBay ca. 100€ gekostet hat.
Man braucht für Makrofotografie nicht zwingend Autofokus. Man fotografiert außerdem meist mit geschlossener Blende, daher ist die Schärfe des Objektivs weniger ausschlaggebend. Teure moderne Linsen wie z.B. das Sony 90mm 2.8 Makro mögen tolle Objektive sein - konkret für die Makrofotografie sehe ich aber aktuell den Mehrwert eines 1000€-Objektivs gegenüber dem oben genannten 100€-Objektiv nicht.
Von Laowa/Venus Optics gibt es manuelle Makroobjektive mit einer Vergrößerung von mehr als 1:1. Wenn ich mir den Kauf eines modernen Makroobjektivs überlegen würde, dann würde ich in diese Richtung tendieren.
Update Mai 2021: Ich habe das Laowa 65mm 2:1 Ultra-Makro gekauft und nach etwas Eingewöhnung ist das Objektiv der Hammer! 2:1 Makrofotografie ist nochmal schwieriger, da die Schärfentiefe nochmal geringer ist und man somit noch präziser arbeiten muss. Aber die Ergebnisse sind es wert. (Album mit Beispielbildern)
Alternativ: Reverse-Adapter
Hab ich erst für einen Witz gehalten, ist aber wirklich eine Möglichkeit. Ein Objektiv wird dafür gebaut, ein entferntes Motiv auf einen nahen Sensor zu projizieren. Wenn man es umdreht und ein paar Zwischenringe verwendet, kann man ein sehr nahes Motiv auf einen - jetzt etwas weiter entfernten - Sensor projizieren.
Man verwendet also einen Adapter von Kamera-Bajonett auf Filterring, damit man sein Objektiv falschrum an die Kamera schrauben kann.
Das ist eine fortgeschrittene Methode, die man für Vergrößerungen höher als 1:1 verwendet. Das Objektiv sollte manuell sein, damit man Fokus und Blende noch einstellen kann, ohne dass das Objektiv Strom- und Datenverbindungen zur Kamera hat. Daher verwendet man hier gerne Altglas-Objektive.
Ich habe mir mal einen billigen Reverse-Adapter gekauft, allerdings saß dieser nicht stabil auf dem Bajonett und war weitgehend unbrauchbar. Daher habe ich hier wenig Erfahrungen.
Alternativ: Vorsatzlinsen
Man kann eine Zusatzlinse vorne vor das Objektiv klemmen und so die Naheinstellgrenze verringern.
Ich habe ein Altglas-Objektiv (Soligor 100mm), das eigentlich nur ein 1:2 Makro ist, mit einer mitgelieferten Zusatzlinse aber zum 1:1 Makro wird. Meine Erfahrungen damit sind durchwachsen, die Zusatzlinse verschlechtert die Bildqualität insbesondere bei Gegenlicht deutlich.
Mit googeln stellt man fest: Ähnliche Erfahrungen haben auch Andere gemacht. Vorsatzlinsen scheinen potenziell die Makro-Technik zu sein, die die Bildqualität am stärksten negativ beeinflussen kann.
Allerdings gibt es auch Berichte darüber, dass man mit Vorsatzlinsen von Raynox für relativ wenig Geld gute Ergebnisse bekommt. Trotzdem würde ich für den Anfang Zwischenringe vorziehen.
Blitz & Diffusor
Ein Aufsteckblitz ist für meine Methode zwingend erforderlich. Ich bin am Anfang naiv einfach nur mit Kamera und Objektiv los gelaufen und war sehr enttäuscht von den Ergebnissen. Erst der Blitz verschafft einem das notwendige Licht, um bei Blende 11 und ISO 100 zu fotografieren. Darüber hinaus friert er Bewegungen ein.
Man sollte sich darüber klar sein, dass bei Blitzfotografie die Helligkeit des Motivs sehr stark vom Abstand zum Blitz abhängt (Fachbegriff: “Inverse Square Law”). Die Belichtungszeit dagegen hat kaum noch einen Einfluss auf die Helligkeit. Jede Kamera hat eine “Blitzsynchronzeit” (z.B. 1/160), dabei handelt es sich um die minimale Belichtungszeit, die ohne besondere Ticks (High-Speed Sync) mit Blitzen funktioniert.
Wie bei normaler Fotografie ist die Einfallsrichtung des Lichts und auch die Qualität (weiches vs. hartes Licht) sehr wichtig. Für „Portraits“ von Tieren will man weiches Licht, das tendenziell von oben kommt. Man sollte auf jeden Fall einen kleinen Diffusor verwenden, um aus dem Blitz eine flächige Lichtquelle zu machen.
Hier kann man sich kreativ austoben. Man kann einen kleinen Diffusor kaufen, viele Makrofotografen bauen sich aber auch Konstruktionen aus Papier, Chipsdosen, Lampenschirmen etc. Mit einem Funkauslöser kann man auch „entfesselt blitzen“, also den Blitz in der 2. Hand halten und von der Kamera unabhängig bewegen.
Nicht so schön finde ich Ringlichter, die teilweise speziell für Makrofotografie verkauft werden. Schwachpunkt hier ist, dass das Licht genau aus Richtung des Objektivs alles glattbügelt. Es gibt keine Schatten, wodurch das Motiv weniger dreidimensional wirkt. Außerdem sind Dauerlichter weniger hell als Blitze.
Wer an dieser Stelle (sehr viel) tiefer einsteigen möchte, kann auf Youtube Tutorials zu Blitzfotografie schauen. Dabei geht es zwar normalerweise um Studiofotografie, die Prinzipien sind aber die Gleichen. Gut fand ich zu dem Thema die Playlist von Neunzehn72: https://www.youtube.com/watch?v=5QvBkF2UZFQ&list=PL9VTVf3ZRECaVh60mQEMYSy9__wjEQwYs
Aber zurück zum Thema. Basisausrüstung für ist ein Aufsteckblitz mit kleinem Diffusor. Ich verwende einen Godox TT685S als Blitz und verschiedene billige Konstruktionen als Diffusor.
Erklärungen zum Abbildungsmaßstab
Makrofotografen reden oft vom Abbildungsmaßstab, beispielsweise 1:1. Das bedeutet Folgendes:
Nehmen wir an, dass eine Biene 2 cm groß ist. Wenn ich diese bei maximaler Vergrößerung (also aus kürzestmöglicher Distanz) fotografiere und dafür ein 1:1 Makroobjektiv verwende, dann wird das Abbild der Biene auf dem Sensor meiner Kamera auch 2 cm groß sein. Wenn mein Makro-Objektiv nur 1:2 schafft dann ist das Bild der Biene nur 1 cm groß.
“Abbild auf dem Sensor” klingt abstrakt und “2 cm” klingt ziemlich klein. Also setzen wir das Beispiel fort. Der APS-C Sensor einer A6000 ist 2,36 x 1,58 cm groß. Das 2 cm große Bild der Biene wäre also ziemlich formatfüllend. Wenn man sich das Bild am Ende auf einem 55 Zoll Fernseher anschaut, dann ist die Biene ungefähr einen Meter lang.
Wie messe ich den Abbildungsmaßstab?
Bei echten Makro-Objektiven steht der Abbildungsmaßstab auf der Packung. Bei den verschiedenen Eigenbau-Lösungen kennt man den Faktor erstmal nicht.
Daher fotografiere man bei maximaler Vergrößerung (= minimalem Abstand) ein Lineal. Wenn ich weiß, dass der Sensor meiner A6000 genau 2,36 cm breit ist und ich vom horizontal ausgerichteten Lineal etwas mehr als 2,3 cm sehe, dann bin ich also ungefähr bei 1:1.